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Leseprobe — Der Partnervernittler

Kup­pel­dienste jeg­li­cher Art, mit ihren in Zei­tun­gen sowie ande­ren Medien pro­pa­gier­ten ver­lo­cken­den Kon­takt­an­ge­bo­ten, tan­gier­ten mich nicht. Zumin­dest bis zu mei­nem 18ten Lebens­jahr. In mei­ner Jugend kam ich leicht und schnell an rei­zende Mädels. Auch die Stel­len­of­fer­ten der Bran­che waren mir trotz der hohen Gehalts­ver­spre­chun­gen egal und dafür gab es eben­falls einen guten Grund. Den gän­gi­gen Weg hatte ich nicht nötig, um in einer Part­ner­agen­tur an einen lukra­ti­ven Job zu kom­men. Ich besaß Vit­amin B – also B wie Bezie­hun­gen – und davon eine Über­do­sis. Mein Vater war Eigen­tü­mer einer renom­mier­ten, zudem ein­träch­ti­gen Part­ner­ver­mitt­lung in Deutsch­land, die in eini­gen Städ­ten Neben­stel­len betrieb. Mit sei­nem Beruf hatte er es zu einem ansehn­li­chen Ver­mö­gen gebracht.


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Ich wurde 1965 in Mön­chen­glad­bach – einer länd­lich gele­ge­nen Groß­stadt in der Nähe von Düs­sel­dorf sowie Köln – im Bei­sein mei­ner Mut­ter gebo­ren. Bei der Eltern­lot­te­rie hatte ich kein schlech­tes Los gezo­gen. Doch ohne meine Zustim­mung ein­zu­ho­len, gaben sie mir den Namen Dirk-Olaf. Das grenzte an Kör­per­ver­let­zung. Ein Vor­name mit einer kla­ren Ansage, wie zum Bei­spiel „Raf­faell“, hätte mir bes­ser gefal­len. Bei der Namens­wahl war ich anwe­send und schrie ent­setzt, doch wer hört schon auf das Geplärre eines Babys? Bis ich die bei­den wie­der anlä­cheln konnte, ver­gin­gen Wochen.

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„Graf Krab­bel­tisch“ blieb nicht lange alleine. Mit elf Mona­ten, es war ein Frei­tag der drei­zehnte, wurde ich Bru­der! Damit hatte mein Vater einen Stamm­hal­ter und mit Mar­kus einen Ersatz, der aber ganz anders als ich war. Ein Kuckucksei? Nicht mein Pro­blem! Mora­lisch fühlte ich mich dazu ver­pflich­tet, ihn zu lie­ben.

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Zu jener Zeit eröff­nete mein Vater seine erste Part­ner­ver­mitt­lung. Ohne Berufs­er­fah­rung flo­rierte die Firma bald so sehr, dass meine Mut­ter ihm im Büro unter­stüt­zen musste und uns Lili­puts mit in die Traum­fa­brik nahm. Ver­wandte mun­kel­ten, dass wir beide dort ab und an in her­aus­ge­zo­ge­nen Schub­fä­chern von Büro­schrän­ken lagen und schlie­fen (ich hoffe, dass ich auf­grund des­sen kein Schub­la­den­den­ken habe). Beruf und Kin­der lasen sich tat­säch­lich mit­ein­an­der ver­ein­ba­ren. Zu unse­rem Glück gab es bei uns nur robuste Holz­mö­bel und nichts von Ikea und somit über­leb­ten wir.

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Vaters stei­ler Erfolg und sein dar­aus resul­tie­ren­des prall gefüll­tes Porte­mon­naie blie­ben nicht unbe­merkt. Mit einem Mal inter­es­sier­ten sich nicht nur Part­ner­su­chende, son­dern auch der Fis­kus für seine Gold­grube. Die Her­ren der Steu­er­fahn­dung waren ent­ge­gen­kom­mend. Sie erspar­ten mei­nem Dad einen Gang zum Fis­kus, indem sie per­sön­lich bei ihm im Büro und bei uns daheim vor­bei­schau­ten. Sie such­ten nach Schwarz­geld. Dabei wurde auch ich und meine stän­di­gen Beglei­ter, die mir in mei­nem jun­gen Leben sehr an das Herz gewach­sen waren, gefilzt: meine Win­deln. Womög­lich rochen Sie nach Geld! Ich konnte noch kein Geld schei­ßen. Aber ich wusste damals bereits: Geld stinkt nicht (pecu­nia non olet).

Die Part­ner­agen­tur expan­dierte und zur Ver­stär­kung wurde Per­so­nal ein­ge­stellt, wonach meine Mut­ter im Büro nicht mehr von­nö­ten war. Mar­kus und ich waren jah­re­lang unzer­trenn­lich und wur­den gemein­sam ein­ge­schult.

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Klappentext 00

Die kri­sen­ge­schüt­telte Bezie­hung von Oli­ver und Maria scheint am Ende – bis sie in ihrer Ver­zweif­lung die junge, attrak­tive Paar­the­ra­peu­tin Ramona Red in ihrer Ber­li­ner Pra­xis auf­su­chen. Doch die Dinge neh­men eine uner­war­tete Wen­dung.

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Ramona, selbst Sin­gle, ver­folgt nicht nur pro­fes­sio­nelle, son­dern auch ganz pri­vate Inter­es­sen. Doch das ist noch nicht das größte Geheim­nis der cha­ris­ma­ti­schen The­ra­peu­tin, die aus Jugo­sla­wien stammt und deren Ver­gan­gen­heit von einem unge­lös­ten Rät­sel über­schat­tet wird: Ihr Vater und ihre Zwil­lings­schwes­ter sind spur­los ver­schwun­den.

Weder Oli­ver und Maria noch die ande­ren Kli­en­ten ahnen, mit wem sie es wirk­lich zu tun haben. Als Oli­ver sich in Ramona ver­liebt, wird er zum Spiel­ball in einem gefähr­li­chen Spiel. Doch was ist Ramo­nas wah­res Ziel? Und wie weit wird sie gehen, um es zu errei­chen?

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Ein Psy­cho­thril­ler, der mit schar­fem Witz, ero­ti­scher Span­nung und bri­san­ten The­men die Leser bis zur letz­ten Seite fes­selt – und dar­über hin­aus. Basie­rend auf wah­ren Bege­ben­hei­ten.

ENDE

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Die Paartherapeutin 01

Ramona hielt ein klei­nes, dau­men­gro­ßes Glas­fläsch­chen in ihrer rech­ten Hand, das ebenso schwarz war wie ihre Fin­ger­nä­gel und ihre Klei­dung. Die sehr kleine Öff­nung des Fläsch­chens zeigte nach unten. Bei jedem Trop­fen, der her­aus­kam und auf den Boden der lee­ren Kaf­fee­tasse dar­un­ter plumpste, zählte sie kon­zen­triert und leise mit.

    »…11, 12, 13, 14« Ihre Gesichts­züge waren ernst, und die schwarz geschmink­ten Lip­pen unter­stri­chen diese Ernst­haf­tig­keit. Als sie bei 15 ange­kom­men war, stoppte sie, drehte den Ver­schluss zu und stellte die Tasse unter den Kaf­fee­aus­lauf.

Anschlie­ßend schaute sie mit zusam­men­ge­press­ten Lip­pen aus dem Küchen­fens­ter und betrach­tete das Trei­ben auf der Straße, bevor sie zum Ess­tisch ging. Das Fläsch­chen steckte sie in die dar­auf lie­gende Hand­ta­sche und nahm Platz.

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Vor ihr stand ein wei­te­res Fläsch­chen – Nagel­lack. Der mar­kante Duft des Nagel­lacks schwebte in der Luft. Sie atmete tief ein und aus und lächelte zufrie­den.

Nach einem kur­zen kri­ti­schen Blick auf ihre schwarz lackier­ten Fin­ger­nä­gel betrach­tete sie das nach oben gerich­tete Dis­play ihres Smart­phones auf dem Tisch, das 10:46 Uhr anzeigte. Das Tablet lag eben­falls dort.

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Im Wohn­zim­mer lief leise Musik. Ihr Kopf wackelte leicht zum Rhyth­mus einer Bal­lade. Als der Sän­ger den Refrain begann, zuck­ten Ihre schwarz geschmink­ten Lip­pen kurz, und sie sang mit. “Give me your love. Give me your love”. Minu­ten­lang saß sie so da, bis das Lied been­det war und von selbst erneut zu spie­len begann. Der Song war ebenso wie ihre Gedan­ken in einer End­los­schleife gefan­gen.

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Plötz­lich klin­gelte es am Ein­gang. Sie stand auf, blickte kurz zu dem Foto­rah­men mit dem Foto von sich, Daniel und Oli­ver auf dem Wohn­zim­mer­schrank, bevor sie die Tür öff­nete. »Warum klin­gelst du?«, fragte sie, als sie Oli­ver erkannte.

    »Ich dachte, wir fah­ren direkt wei­ter«, ant­wor­tete Oli­ver und wackelte mit den Hän­den.

   »Hat­test du Angst, ein­fach so her­ein­zu­kom­men? Du und Daniel woh­nen hier. Ver­giss das nicht!«, sagte Ramona und setzte sich wie­der an den Ess­tisch. Von dort rief sie: »Komm rein! Wir haben noch Zeit. Meine Fin­ger­nä­gel müs­sen auch noch ein wenig trock­nen.«

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Er schloss die Tür und setzte sich eben­falls an den Ess­tisch – aller­dings gegen­über von ihr. 

Ihre Hände ruh­ten auf der Tisch­platte. Sein Blick wan­derte unwill­kür­lich zu ihren Haa­ren, die im Ver­gleich zu sonst zu glü­hen schie­nen. Ramona strahlte ihn an und auch ihre Haare strahl­ten ihm ent­ge­gen – näm­lich in einem hel­len Blond­ton.

    »Was ist das? Du hast die Haare gefärbt!«, bemerkte er über­rascht. 

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    Ramona hob ihren Kopf, als wolle sie ihm ihre neue Haar­farbe wie eine kost­bare Tro­phäe prä­sen­tie­ren. »Ich war ges­tern beim Fri­seur«, begann sie. »Wenn ein neuer Lebens­ab­schnitt beginnt… Naja, das machen viele Frauen so«, erklärte sie mit einem “Bambi-Blick”, der schien, als flehe er um Gnade.

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    Er sah kurz auf die Nagel­lack­fla­sche und ihre Hände. »Sag mal, warum sind deine Fin­ger­nä­gel schwarz lackiert? Die waren noch nie schwarz«, wollte er von ihr wis­sen.

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    »Nicht mehr, seit wir zusam­men sind. Es war eine Zeit der Freude und des Glücks mit dir. Das ist jetzt vor­bei.« Sie wackelte mit den Fin­gern. »Das sind Sym­bole für meine Stim­mung heute«, mur­melte sie.

    Er zuckte mit den Schul­tern, wäh­rend sie ihn mit tief­trau­ri­gen Augen ansah. “Müs­sen wir wirk­lich zum Anwalt, Dar­ling?”, fragte sie leise und demü­tig. Oli­ver schloss seine Augen und schwieg. Für Ramona waren es hoff­nungs­volle Sekun­den. Sekun­den, die ihr wie eine Ewig­keit vor­ka­men.

Doch als er schließ­lich sprach, war seine Ant­wort für sie keine Erlö­sung, son­dern ein Schlag ins Gesicht. Er öff­nete die Augen und sagte: »Eine Schei­dung ist das Beste.« Obwohl er seine Worte in einem neu­tra­len Ton aus­sprach, dröhnte jede Silbe in ihrem Kopf wie ein Don­ner­schlag.

    Ihre Hände ver­krampf­ten sich zu Fäus­ten und schnell wie ein Platz­re­gen wur­den ihre Augen feucht. Lang­sam, als stünde sie unter Schock, erhob sie ihre Arme und hielt ihre Hände vor ihr Gesicht. Ihre dunk­len Lip­pen kamen nun beson­ders zur Gel­tung und diese began­nen sich zu bewe­gen. »Du… du zer­störst meine Fami­lie. Nein, deine… unsere… bitte tu das nicht!«, schluchzte sie und drehte den Kopf zur Seite.

Es war eine kurze, doch zutiefst erschüt­ternde Aus­sage, die mit weni­gen, gebro­che­nen Wor­ten einen schmerz­er­füll­ten Blick in ihr zer­ris­se­nes Inne­res gewährte. So zer­stört, so ver­lo­ren hatte er Ramona noch nie gese­hen.

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    »Über­treib nicht«, sagte Oli­ver sach­lich zu ihr.

    Das Tor zu ihrem Inne­ren war wie­der geschlos­sen. »Ent­schul­di­gung, es ist alles sehr schwer für mich«, ent­geg­nete sie, nahm die Hände her­un­ter und stand auf. Sie ging zum Kaf­fee­au­to­ma­ten und wischte sich die Augen mit einem Geschirr­tuch ab. Dann drückte sie den Knopf für die Kaf­fee­zu­be­rei­tung.

    Den frisch gebrüh­ten Kaf­fee stellte sie vor ihm auf den Tisch und sagte: »Hier ist ein Kaf­fee. Ich muss noch kurz ins Bad. Dann kön­nen wir los.« Und sie ver­schwand.

    Er zog das Tablet zu sich. »Die Musik passt ja gar nicht«, flüs­terte er vor sich hin. Dann wählte er ein klas­si­sches Stück aus. Wäh­rend er auf sie war­tete, trank er immer wie­der genüss­lich aus der Tasse.

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    Nach­dem sie aus dem Bad zurück­kam, setzte sie sich neben ihn. Kurz sah sie auf seine Kaf­fee­tasse, dann zu ihm und sagte: »Ich liebe dich. Und jetzt… jetzt habe ich alles ver­lo­ren.«

    »Alles?«, ent­geg­nete er knapp.

    »Dich und beruf­lich meine ich damit«, erklärte sie.

    »Wieso beruf­lich?«

    »Tja«, sagte sie mit einem lei­sen Seuf­zer. Ihr Blick senkt sich ver­le­gen auf die Tisch­platte. »Eine Paar­the­ra­peu­tin, die selbst geschie­den ist. Wie inkom­pe­tent wirkt denn das?« Dann schüt­telte sie den Kopf. 

Oli­ver lächelte sanft.

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Kurzgeschichte — Es fährt ein Zug nach …

(Story-Idee mit 20 Jah­ren — Wäh­rend einer Zug­fahrt)

„Hof­fent­lich erwi­sche ich den Zug noch“, denke ich, wäh­rend mein Blick zur gro­ßen blauen Anzei­ge­ta­fel am Ende der Bahn­hofs­halle schweift. Ich ver­lang­same mei­nen Schritt, um die Infor­ma­tio­nen bes­ser erfas­sen zu kön­nen.  

„Ah, Glück gehabt. Noch fünf Minu­ten“, stelle ich fest und über­lege kurz. „Eine ganze Stunde im Zug ohne etwas zu lesen? Das geht gar nicht.“  

Schnell steuere ich auf die Bahn­hofs­buch­hand­lung zu, die sich nur ein paar Meter rechts vom Ein­gang befin­det. Wie so oft in den letz­ten Wochen betrete ich sie nach der Arbeit.  

Mein Blick fällt zunächst auf die Kasse im Ein­gangs­be­reich, danach auf die Sta­pel von Tages­zei­tun­gen, die dort aus­lie­gen. Eine Schlag­zeile springt mir ins Auge: „Flug­zeug­ab­sturz in Ber­lin – über 70 Tote.“  

Ich schaue weg, auf der Suche nach etwas Erfreu­li­che­rem. Dann ent­de­cke ich es: In einem Regal links von mir liegt die neu­este Aus­gabe mei­ner Lieb­lings-Com­pu­ter­zeit­schrift – die Januar-Aus­gabe von 1987.  

Ein Lächeln brei­tet sich auf mei­nem Gesicht aus, als ich ein Exem­plar nehme und mich zur Kasse begebe. Doch das Lächeln ver­flüch­tigt sich schnell, als ich sehe, dass zwei Kun­den vor mir war­ten.  

Ich greife in meine Hosen­ta­sche, ziehe einen Geld­schein her­aus und warte unge­dul­dig. Mein Blick wan­dert immer wie­der zur Arm­band­uhr. Die Zeit rennt.  

End­lich bin ich an der Reihe, bezahle has­tig und stürze Rich­tung Bahn­steig 1. Die Treppe nehme ich zwei Stu­fen auf ein­mal, fast außer Atem.  

Kurz bevor ich oben ankomme, höre ich die Tril­ler­pfeife des Schaff­ners und werde lang­sa­mer. Der Zug fährt ohne mich los.

Ich schaue ihm nach, schüttle den Kopf und schnauze: “Selbst schuld”.

Gleich­zei­tig denke ich an meine neue Freun­din und daran, dass wir uns gleich tref­fen wol­len. Sie will mich am Bahn­hof abho­len, und wir haben vor, essen zu gehen. Und nun? 

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– E N D E –

ENDE

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